Recht
Bei einem Bauprozess kommt es zwischen den beteiligten Akteuren und Funktionsbereichen zu vielen Schnittstellen. Koordinations- und Kommunikationsprobleme an diesen Kontaktpunkten führen schnell zu Unstimmigkeiten und bergen Schadenpotenzial. Um dieses zu reduzieren, wurden "Spielregeln" in Form von Gesetzen, Verordnungen, Richtlinien und Normen geschaffen.
Im Bauwesen gehören Bauablaufstörungen, Ausschreibungs-, Baumängel- oder Werklohnstreitigkeiten zu den häufigsten Konflikten. Enden diese vor Gericht, beziehen sich die Rechtsvertreter vor allem auf das Submissions-, Vertrags- und Haftpflichtrecht. Um sich präventiv gegen mögliche Haftpflicht- und andere Schäden zu schützen, werden den beteiligten Akteuren Versicherungsabschlüsse empfohlen.
Submissionsrecht
Sofern private Bauvorhaben nicht zu mindestens 50 % von der öffentlichen Hand mitfinanziert werden, sind die Bauherren in der Wahl Ihrer Auftragnehmer frei. Aus Wettbewerbsgründen sind Auftragsvergaben der öffentlichen Hand gesetzlich geregelt. Die Wahl des Verfahrens hängt dabei von der Auftragssumme ab. Im Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen wurden minimale Schwellenwerte für Arbeitssektoren und Auftragsarten definiert. Die Kantone können diese Werte in kantonalen Submissionsgesetzen anpassen. Im Sinne der Ratifizierung beziehen sich aber viele Kantone bereits heute auf die Interkantonale Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen. Die Ausschreibungsverfahren unterscheiden sich folgendermassen:
Im offenen Verfahren schreibt der Auftraggeber den Auftrag öffentlich aus, wobei alle Anbieter ein Angebot einreichen können.
Im selektiven Verfahren schreibt der Auftraggeber den Auftrag öffentlich aus, wobei alle Anbieter einen Antrag auf Teilnahme einreichen können. Der Auftraggeber wählt anhand von Eignungskriterien die Anbieter aus, welche in einer zweiten Phase ein Angebot einreichen dürfen. Er kann zudem die Zahl der zur Angebotseinreichung einzuladenden Anbieter beschränken, wenn sonst die Auftragsvergabe nicht effizient abgewickelt werden kann. Dabei muss ein wirksamer Wettbewerb gewährleistet sein.
Im Einladungsverfahren bestimmt der Auftraggeber, welche Anbieter direkt zur Angebotseinreichung eingeladen werden. Der Auftraggeber muss, wenn möglich mindestens drei Angebote einholen.
Im freihändigen Verfahren vergibt der Auftraggeber einen Auftrag ohne Durchführung eines formellen Vergabeverfahrens. Das Einholen von Konkurrenzofferten ist zulässig.
Die Aufteilung von Leistungen in Teilangebote und Lose unter Anwendung des vorher bestimmten Verfahrens ist erlaubt. Gründe sind die Risikoverteilung, Einholen spezialisierter Teilleistungen sowie ein grösseres Wettbewerbsfeld. Eine Aufteilung von Leistungen zur Steuerung des Verfahrensentscheides ist unzulässig.
Vertragsrecht
Rechtlich gelten für Verträge grundsätzlich die Bestimmungen des Obligationenrechts (OR) der Schweiz. Die übergeordnete Rechtsgrundlage lässt der Ausgestaltung von Verträgen jedoch so viel Spielraum, dass branchenübliche Besonderheiten normativ geregelt werden sollten.
Bei Bauvorhaben kommen Verträge normalerweise zwischen der Bauherrschaft und dem Planer, Bauleiter oder dem ausführenden Unternehmen zustande. Der Vertragsgegenstand ist entweder die zu erbringende Leistung oder das zu errichtende Werk. In der Praxis wird zwischen einem Planer-/ Bauleitungsvertrag und einem Werkvertrag unterschieden. Der Schweizerische Ingenieur- und Architektenverein und die Koordinationskonferenz der Bau- und Liegenschaftsorgane der öffentlichen Bauherren stellen für diese Vertragsarten kostenlose Vertragsformulare mit Normenbezug zur Verfügung.
Planer- / Bauleitungsvertrag
Rechtlich kann es sich beim Planer-/ Bauleitungsvertrag um einen Auftrag (Art. 394 OR) oder einen Werkvertrag (Art. 363 OR) handeln. Weil das Obligationenrecht keine bauspezifischen Vorgaben beinhaltet, bestimmt die Praxis, was zum Gegenstand dieses Vertrages gehört. Der Zweck besteht darin, zwischen Planer / Bauleiter und Vertragspartner die Erbringung von baubezogenen Planer- und Bauleitungsleistungen zu vereinbaren.
Was in der Praxis unter Planungs- und Bauleitungsleistungen verstanden wird, ist in den Leistungsbeschrieben der SIA-Ordnungen für Leistungen und Honorare (LHO) abgebildet. Für Ingenieurinnen und Ingenieure in den Bereichen Wald und Naturgefahren ist es die LHO 104. Die Ordnungen gelten nicht von Gesetzes wegen, können aber als Vertragsbestandteil global oder teilweise übernommen und dadurch rechtsverbindlich gemacht werden. Zu beachten gilt unter anderem, dass bei einer globalen Übernahme (d.h. Übernahme ohne Kenntnis des Inhalts) unter Umständen die Schutzbestimmungen zu Gunsten der unkundigen Partei greifen. Daneben sind individuelle Abreden den Ordnungen als rechtlich übergeordnet zu erachten. Im Vertrag wird die jeweilige Reihenfolge der Dokumente festgelegt.
Werkvertrag
Der Werkvertrag ist ein Vertrag, mit dem sich der Unternehmer zur Herstellung eines bestimmten Werkes gegen eine vom Bauherrn zu erbringende Vergütung verpflichtet. Für die Bauleitung ist er die Leitlinie zur Vertretung der Interessen des Bauherren. Im Obligationenrecht (Art. 363) ist der Werkvertrag nur spärlich geregelt. Für bauspezifische Fragen wurde deshalb die SIA 118, Allgemeine Bedingungen für Bauarbeiten, geschaffen. Mit dieser Norm können branchenspezifische Vertragsinhalte wie Leistungsbeschriebe und Vergütungen umfassender geregelt werden.
Ein zentraler Inhalt des Werkvertrages ist das Leistungsverzeichnis. Mit diesem werden die zu erbringenden Leistungen bereits für die Ausschreibung konkretisiert. Weil sich branchenübliche Leistungen von Werk zu Werk nicht grundlegend unterscheiden, wurde mit dem Normpostionen-Katalog (NPK) ein standardisiertes Leistungsverzeichnis geschaffen. In diesem zentralen Instrument der Baubranche (Haupt- und Nebengewerbe) sind sämtliche baubranchenüblichen Leistungen aufgelistet. Unter Verwendung von Normpositionen lassen sich die erforderlichen Leistungen zur erforderlichen Qualität zusammenstellen und die baulichen Rahmenbedingungen definieren. Natürlich können im Leistungsverzeichnis trotzdem noch zusätzliche oder abgeänderte Positionen aufgeführt werden. Üblicherweise geschieht dies über sogenannte Reservepositionen (R-Positionen).
Zusammenfassend ist ein Werkvertrag das von Bauherrn und Unternehmer unterzeichnete Vertragsdokument, welches sich auf das bereinigte Leistungsverzeichnis mit den Angebotspreisen des Unternehmers und zusätzlich vereinbarte, objektspezifische Bestimmungen gemäss NPK 102 stützt. Weitere Bestandteile des Werkvertrags können besondere Bestimmungen des Bauherrn oder allgemeinen Bedingungen mit Erwähnung der geltenden Normen (z.B. SIA-Normen) sein.
Versicherungen
Mit Bauversicherungen können sich Projektbeteiligte gegen Risiken absichern, welche sich entweder aufgrund der rechtlichen Haftung oder höherer Gewalt und Vandalismus ergeben. Zu den gebräuchlichsten Versicherungsarten im Bauwesen gehören die Bauherrenhaftpflicht, die Berufs- und Betriebshaftpflicht sowie die Bauwesenversicherung. Der Abschluss dieser Versicherungen basiert mehrheitlich auf freiwilliger Basis, die vorhandenen Risiken im Bauwesen sprechen aber klar dafür. In der folgenden Tabelle sind die wichtigsten Aspekte zu den genannten Versicherungsarten ersichtlich.
Bauherren-Haftpflichtversicherung
Die Notwendigkeit der Bauherren-Haftpflichtversicherung erwächst aus der gesetzlichen Grund- und Werkeigentümerhaftung (Art. 679 ZGB bzw. Art. 58 OR). Sie schützt den Bauherrn vor finanziellen Folgen von Haftpflichtansprüchen. Gerade im Bauprozess darf dieses Risiko nicht unterschätzt werden. Bereits die Tatsache, dass jemand auf seinem Boden ein Bauwerk errichten lässt, kann ihn ungeachtet seines Verschuldens haftpflichtig machen (verursacherunabhängige Kausalhaftung).
Grundsätzlich verpflichtet die SIA-Norm 118 den Unternehmer, dem Bauherrn bei besonderen Haftungsrisiken den Abschluss einer Bauherrenhaftpflichtversicherung zu beantragen. Es sei denn, der Bauherr kann die Gefahren selbst erkennen oder weigert sich ausdrücklich, dem Antrag nachzukommen. Diese Bestimmung kommt aber nur zum Tragen, wenn die SIA-Norm 118 Bestandteil des Werkvertrages ist. Von der Haftung ausgeschlossen ist der Bauherr bei Vorliegen höherer Gewalt, bei Grobfahrlässigkeit eines Dritten oder bei erheblichem Selbstverschulden des Geschädigten.
Liegt die Bauherrschaft bei einer Gemeinde wird das Risiko meist bis zur vertraglich definierten Deckungssumme über die Betriebshaftpflichtversicherung (Gemeindebetriebe) gedeckt. Ausserordentliche Bauaktivitäten können dennoch den Abschluss einer Bauherrenhaftpflicht erforderlich machen. In jedem Fall ist eine Rücksprache mit der Betriebshaftpflichtversicherung nötig.
Betriebs-Haftpflichtversicherung (Haftpflichtversicherung des Unternehmers)
Für das Unternehmen ist zwischen der gesetzlichen Haftung und der Haftung, die es im Rahmen des Werkvertrages gegenüber dem Bauherrn eingegangen ist, zu unterscheiden. Eine gesetzliche Haftung entsteht einerseits aus unerlaubter Handlung (absichtlich oder fahrlässig) nach Art. 41 OR oder durch Kausalhaftungen. Die Haftung aus dem Vertrag kann in vielen Fällen nicht versichert werden, zumal das Unternehmen für den Erfolg persönlich verantwortlich ist und dafür auch den vereinbarten Werklohn erhält.
Das Gesetz schreibt den Unternehmen grundsätzlich keine Haftpflichtversicherung vor, die im Bauwesen vorhandenen Risiken zeigen das Bedürfnis einer solchen Versicherung aber klar auf. Häufig wird in Ausschreibungen zudem eine Sicherheitsleistung des Unternehmers in Form einer Haftpflichtversicherung mit einer bestimmten Deckungssumme verlangt. Die Versicherung federt in erster Linie finanzielle Ansprüche aus der gesetzlichen Haftung für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ab.
Bauwesenversicherung
Die Bauwesen- oder auch Bauleistungsversicherung schützt den Bauherrn und den Unternehmer während der Bauzeit vor unvorhergesehenen Schäden an Roh-/Neubau, Maschinen und Bauinstallation durch höhere Gewalt oder Vandalismus. Bei Bedarf können Zusatzrisiken miteingeschlossen werden. Nicht versichert sind Personen- und Vermögensschäden. In der Regel wird eine Bauwesenversicherung auf Anregung des Bauherrn gemeinsam abgeschlossen. Im forstlichen Tiefbau verzichtet die Bauherrschaft meist auf eine Bauwesenversicherung, stattdessen nimmt sie das Haftungsrisiko mit risikomindernden Massnahmen, welche im Leistungsverzeichnis festgehalten sind, in Kauf.