Rutschungsverbau
Hanginstabilitäten und Rutschungen sind natürliche Prozesse der Landschaftsbildung. Man spricht von „hangabwärts gerichteten Bewegungen von Hangbereichen aus Fels und/oder Lockergesteinsmassen längs eines Scherbruchs (Gleitfläche)“ (Krummenacher 2009). Sie unterscheiden sich in Ausmass, Aktivität, und Gleitflächenform erheblich. Die Gründe, welche zu Instabilitäten führen sind komplex und der Zustand einiger variiert im Laufe der Zeit. Unter die längerfristige Grunddisposition fallen die praktisch unveränderlichen Gegebenheiten wie Bodenmaterial, Schichtung, und Neigungsverhältnisse. Mit der variablen Disposition werden kurz- und mittelfristig ändernde Zustandsgrössen wie Grund- und Niederschlagswasser, Frost, Gewitteraktivität, Vegetation und Auflasten bezeichnet. Insgesamt gelangt der Hang ins Rutschen, wenn bei gegebener Gesamtdisposition der Zustand eines Faktors eine kritische Grenze durchbricht.
Technische Massnahmen
Die Beeinflussungsmöglichkeit des Menschen bleibt häufig auf Rutschungen kleineren Ausmasses oder „Oberflächenkosmetik“ beschränkt. Andernfalls steigt der Aufwand für geologische und hydrogeologische Abklärungen und die folgenden Massnahmen erheblich an. Bei Rutschungen stehen folgende technischen Massnahmen im Vordergrund (in Anlehnung an Lateltin et al., 1997):
- Absenkung des Hangwasserspiegels durch Entwässerungsgräben und Drainagen;
- Fassung von Wasseraustritten;
- Verhinderung der Infiltration von Bächen in die Rutschmasse durch Ableitung;
- eventuell Materialabtrag im treibenden Teil bzw. Aufschüttung im bremsenden Teil (Rutschfuss);
- Einbringen von Scherwiderständen auf der Gleitfläche durch Vernagelung, Anker oder Pfähle;
- Verbesserung der bodenmechanischen Eigenschaften durch Injektionen und Stabilisationen;
- Stützkonstruktionen;
- Rückhaltekonstruktionen;
- verschiedene ingenieurbiologische Massnahmen.
Forstlich gesehen werden zur Stabilisierung von Rutschungen alle genannten Punkte mit seltener Nutzung von Punkt 6 angewendet. Wichtig vor jeder weiteren Handlung im Falle einer Rutschung, ist das verhältnismässige Erfassen und Verstehen der Gegebenheiten und Prozesse. Denn nicht angepasste Massnahmen können schnell unerwünschte Wirkung haben und kostspielig sein.
Intervention nach einem Ereignis
Die erste Aufmerksamkeit gehört immer dem vorhandenen und potentiellen Boden- und Oberflächenwasser. Einerseits zum Verständnis der Rutschungsmechanismen und andererseits zur ersten Stabilisation. Was davon aus der Rutschmasse abgeleitet werden kann, wirkt einer Stabilisierung förderlich. Existieren weiter ein Schadenpotential oder weitere Interessen zur Sanierung der Rutschung, folgen zusätzliche Schritte. Exponierte Hangkanten und Bereiche, die nachrutschen könnten, werden gesichert oder abgetragen. Anderweitige Auflasten wie Bäume, Verkehr oder Materialdepots ebenso.
Prozessverständnis
Das Ausmass und mögliche, auslösende Gründe einer Rutschmasse sind vor weiteren Schritten zu ermitteln. Denn falsch gewählte Massnahmen bleiben wirkungslos oder führen gar schnell zu kostspieligen Folgeschäden. Diese Informationen festzulegen ist auch für den Fachmann nicht einfach. Geologen und Geotechniker haben Messmethoden und Verfahren, die genauere Aussagen zulassen.
Entwässerung
Die langfristige Fassung und Ableitung von Grund- und Oberflächenwasser ist Teil jeder Stabilisationsbemühung. Nach Erfassung der Fliessverhältnisse ist diese als Teil der gesamten Rutschungssanierung zu planen. Dabei können situativ unterschiedlichste Drainagetechniken eingesetzt werden (Sickerleitung, Sickerpackung, Faschinen, eingegrabene Nadelbäume, Prügellagen, etc.). Zur Abdichtung dient Bentonit (Ton). Oberirdische Ableitung kann in Känneln unterschiedlichster Art, in abgedichteten, offenen Gräben oder verrohrt erfolgen. Die Publikation 'Rutschungsentwässerungen' (Zeller, Trümpler, 1984) gibt detailliert Auskunft darüber.

Erdarbeiten
Die Einhaltung einer maximal möglichen Hangneigung, entsprechend dem Scherwinkel des Bodenmaterials, ist zwingend. Beginnt man mit Erdbewegungen, muss man sich vor Augen halten, dass Abtrag immer mit einer Entlastung und Auftrag mit einer Belastung verbunden sind. So kann das Bodenmaterial selbst, am richtigen Ort eingesetzt, zur Stabilisierung verwendet werden (Gegenlast). Eine Trennung zwischen den einzelnen Bodenschichten ist meist nicht mehr verhältnismässig möglich. Gehölz und Wurzelstöcke stören bei den Arbeiten und sind aus der Rutschmasse zu entfernen. Böschungsnasen führen zu Tropfenerosion und verhindern das Schliessen einer schützenden Pflanzendecke. Sie werden planiert.

Stützbauwerke
Mit Stützbauwerken wird der Rutschmasse eine Last entgegengestellt. Sie haben daher ein hohes Eigengewicht (kein Kippen) und müssen sicher fundiert sein (kein Gleiten oder Grundbruch). Da gestautes Wasser hinter Stützbauwerken eine weitere Erhöhung der Hangbelastung bedeutet, ist dies durch Sickereinrichtungen oder offene Bauweise des Stützbauwerkes zu verhindern.

Rückhaltebauwerke
Rückhaltebauwerke wirken Rutschmassen nicht durch ihr Eigengewicht entgegen, sondern leiten die auf schlanke Tragewerksteile wirkenden Kräfte über Zugelemente in tiefer liegende, stabile Bodenschichten. Die Rutschhorizonte liegen also über dem verankernden Teil der Zugelemente. Seilanker, Stabanker, Bodenanker (Duckbill u.ä.) und Totmann-Anker sind Beispiele forstlich angewendeter Zugelemente. Die flächige Lastaufnahme an der Front der Rutschmasse kann durch Holzwände, Kanaldielen oder Spundwandprofile erfolgen. Die Bauteile sind wesentlich schlanker als die mit ihrem Schwergewicht wirkenden Stützbauwerke.

Oberflächenstabilisierung
Wird mit der angelegten Hangneigung der Scherwinkel des Bodenmaterials nicht erreicht und stimmen die klimatischen Bedingungen, ist ein Bewuchs mit Gräsern und Gehölzen gut möglich. Stimmen diese Bedingungen nicht, sind häufig anderweitige Befestigungsmassnahmen nötig. Ein Abflachen der Neigung ist am erfolgversprechendsten. Mit Pfählungen, Diagonalflechtwerken, Hangrosten und dergleichen kann eine oberflächliche Armierungswirkung erzielt werden. Leicht steilere Neigungen sind damit realisierbar. Schutz vor Auswaschungen und lokalen Setzungen bieten verschiedenste Abdeckungsgeflechte. Die standortgerechte Wahl des Saatgutes und der Gehölze sind für den Begrünungserfolg entscheidend. Die Ingenieurbiologie befasst sich eingehend mit Fragen der Oberflächenstabilisierung.

Weiterführende Literatur
- Bundesamt für Wasserwirtschaft (BWW), Bundesamt für Raumplanung (BRP) und Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) (Hrsg.), 1997. Berücksichtigung der Hochwassergefahren bei raumwirksamen Tätigkeiten. EDMZ, Bern.
- Witt, Karl Josef (Hrsg.), 2009. Grundbau-Taschenbuch 3 Bde. Ernst W. und Sohn Verlag, Berlin.